Peter Filzmaier: Warum der Ausschluss russischer AthletInnen und Mannschaften gerechtfertigt ist [Gastkommentar]

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In einem Facebook-Beitrag erklärt Politologe Peter Filzmaier, warum der Ausschluss russischer AthletInnen und Mannschaften von internationalen Wettbewerben notwendig ist.

Der Text wurde uns freundlicherweise von Peter Filzmaier zur Verfügung gestellt. Peter Filzmaier ist auf >> Facebook und >> Twitter aktiv und meldet sich immer wieder zu sportlichen Themen zu Wort:

Russland führt gegen die Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Als Reaktion gibt es Wirtschaftssanktionen. Auch im Sport wurden russische Athleten und Mannschaften von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Ist das eine traurige Notwendigkeit oder falsch? Es ist richtig.

1. Die Behauptung vom unpolitischen Sport ist Unsinn. Weltverbände des Sports – etwa das Internationale Olympische Komitee (IOC) sowie jeweils in Artikel 2 ihrer Statuten die Fußballvereinigungen FIFA und UEFA – haben ausdrücklich Frieden und Völkerverständigung zum Ziel. Da kann man sich nicht neutral beobachtend geben, wenn Russland gegen die Ukraine ansatzlos einen brutalen Krieg beginnt.

2. Genauso wäre es absurd, wenn die Welt von der Politik über die Wirtschaft bis zur Kultur klar Stellung bezieht, während der Sport als Position „Nur ned anstreifen!“ einnimmt. Werden überall Sanktionen diskutiert und verhängt, betrifft das selbstverständlich genauso Fußball, Autorennen, Skifahren & Co.

3. Das anfängliche Abwarten der Sportverbände stand unter dem Generalverdacht, dass man nicht aus der eigenen Komfortzone herauswill oder gar – Stichwort das russische Erdgasunternehmen Gaszprom als Fußballsponsor – zu sehr an seinen finanziellen Vorteil denkt. Wer wirksame Sanktionen will, kann nicht weitermachen wie bisher. Es war peinlich, dass Industrielle schneller als Sportfunktionäre bereit waren, im Sanktionskampf für ein Kriegsende Geschäfts- und Geldeinbußen zu haben.

4. Das Problem ist, dass Verbände und Funktionäre im Sport teilweise mit Vladimir Putin „verhabert“ waren. FIFA-Präsident Gianni Infantino etwa herzte Putin auf Fotos. Bei der Fußball-WM 2018 erklärte Infantino, dass alle in das Veranstalterland Russland verliebt wären. Er selbst fühle sich dort „wie ein Kind im Bonbongeschäft“. Prompt hat die FIFA anfangs Russland nicht von ihren Bewerben ausschließen wollte.

5. Das tat man erst, als mit Polen an der Spitze immer mehr prinzipientreue Länder erklärten, gegen Russland keinesfalls anzutreten. Ohne fragwürdige Rücksicht auf enge Verbindungen und Geschäfte mit Russland, dessen undemokratische und korrupte Zustände in Kauf genommen wurden. Bei manchen Weltsportverbänden wie im Fechten waren russische Oligarchen die Präsidenten.

Was ist der Anteil Österreichs? Nach dem Motto „Nur kane Wellen“ waren wir wenig ruhmreich abwartend. Der Österreichische Fußballverband (ÖFB) hat alle Sportsanktionen gegen Russland begrüßt. Allerdings erst, nachdem die FIFA Russland ausschloss. Vorher war Funkstille.

Peter Filzmaier

6. Was ist der Anteil Österreichs? Nach dem Motto „Nur kane Wellen“ waren wir wenig ruhmreich abwartend. Der Österreichische Fußballverband (ÖFB) hat alle Sportsanktionen gegen Russland begrüßt. Allerdings erst, nachdem die FIFA Russland ausschloss. Vorher war Funkstille. Wir waren nicht unter den Ländern, die der zögerlichen FIFA erklärten, nicht gegen Russland zu kicken: England als Mutterland des Fußballs und Wales als unser Gegner im Playoff sowie Frankreich, Irland, Norwegen, Schottland, Schweden, Tschechien, und, und, und.

7. Im Wintersport war zeitlich die Verlockung groß, den Weg des geringeren Widerstands zu gehen. Hier enden die Weltcups im März. Danach hätte das Ausschluss- und Boykottthema bis zum Herbst niemand interessiert. Beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) war zuerst langes Schweigen. Dann sprach Präsidentin Roswitha Stadlober sich eines Abends im Fernsehen gegen den Ausschluss russischer Sportler aus. Am nächsten Vormittag schloss der internationale Skiverband die Russen aus. Plötzlich war der ÖSV energisch dafür.

8. „Die Sportler können ja nichts dafür!“ Das war Stadlobers Argument, warum man lediglich ein Antreten mit russischer Flagge und Hymne verbieten soll. Hm. Naja. Jein. Bei den Olympischen Winterspielen in Peking durften russische Sportler nach Staatsdoping nur ohne Staatssymbole starten. In Russland wurde geschickt gerechnet und trotzdem gefeiert, man hätte von allen Ländern die zweitmeisten Medaillen gewonnen. Nach der Zahl der Goldmedaillen lag Russland hinter Österreich auf dem neunten Platz.

Propaganda würde Vladimir Putin bei jedem Sporterfolg unverändert betreiben. Selbst wenn alle Russen nackt statt in Nationaldressen starten müssten. Hinzu kommt, dass nicht bloß russische Verbände und deren Funktionäre mit Sicherheit Parteigänger Putins ist. Unter den Sportlern sind viele Stars als hochdotierte Staatshelden voll auf Putins Linie.

Peter Filzmaier

9. So eine Propaganda würde Vladimir Putin bei jedem Sporterfolg unverändert betreiben. Selbst wenn alle Russen nackt statt in Nationaldressen starten müssten. Hinzu kommt, dass nicht bloß russische Verbände und deren Funktionäre mit Sicherheit Parteigänger Putins ist. Unter den Sportlern sind viele Stars als hochdotierte Staatshelden voll auf Putins Linie.

10. Kritik beschränkt sich daher im besten Fall auf allgemeine „Bitte kein Krieg!“-Bekundungen. Eishockeysuperstar Alexander Ovechkin posiert im Internet parallel dazu weiterhin Seite an Seite mit Putin. Mehrere Wintersportler aus Russland haben üble Hasspostings gegen die Ukraine verfasst. Regimegegner sind selten, weil sie ja gar nicht erst in eine russische Nationalmannschaft aufgenommen werden.

Natürlich ist der Ausschluss auch ein Berufsverbot für Sportler, die sich nichts vorzuwerfen haben. Das freilich gilt für alle Sanktionen. Eine Bankangestellte oder Stewardess ist von den Maßnahmen gegen Sberbank und Aeroflot existenzgefährend betroffen. Sportstars muss man weniger bemitleiden.

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